verwandeln  
 
 
 
   
 
Die Dinge ändern sich
– nicht – niemand
hört ihre Geschichten –
sie sind nicht zu retten.

Lange schon schwelt diese bittere Nachricht in Susanne Ahners freundlich boshaften Trans­Formationen, auch wenn ihre Sammlungen und Fundsachen dreist und in poetischer Verdichtung ein neues Leben behaupten:
“Pufferzone”. “Rote Menge“. “Schwamm drüber”.
Ihre Aufmerksamkeit für den Raum entwickelt sich zunächst im Zwischenraum, den sie den Dingen gewährt und zumutet, und mit dem sie die Distanz zu den Grenzen bestimmt.
Doch ihr Blick, in den sie zuweilen ein Objektiv einsetzt, bohrt in eine andere Tiefe. Dort ergründet sie aus der Bestimmung eines Raumes, aus seiner Geschichte, seinen Maßen und der Haut, seinen Installationen und Mobilien, aus seinen örtlichen und thematischen Bezügen seinen Bedeutungsraum.
Ihn gilt es sichtbar zu machen, ohne ihn zu verraten. Seine Schichten sollen transparent werden, ohne seine Komplexität zu zerstören.
Dafür schränkt Susanne Ahner ihren Handlungsspielraum rigoros ein.
Große Gebärden und emotionale Zutaten verbieten sich von selbst. Erfindungen konzentrieren sich auf den schonenden Umgang mit Werkzeug und Material.
Ihre Eingriffe sind genau und sparsam.
Sie stellen die verborgene Wirklichkeit des Raumes her: Die braunen Bildträger sind leere Flächen wie Vervielfältigungen des einen, 1945 verschämt vertuschten Bildes über dem Kamin...
“Moderne Räume”.
Die Ballettstange aus grauem Klempnerrohr auf rostigen Fundwinkeln von der Brache Potsdamer Platz ist der nicht gegebene Halt im Rahmen der sogenannten Wiedervereinigung... “be–treten/mit–halten”.
Mitunter wirft Susanne Ahner ein anderes Licht auf räumliche Realität: Am Himmel des geschlossenen Abfertigungsraumes der Spedition LASSEN, nah am neuen Regierungsbezirk, erschaffen leuchtende Nylonfäden und Städtenamen die Berlin-zentrische Weltkarte aus dem Schulatlas. Das Haus ist inzwischen abgerissen... “Zeitverschiebung”.
Manchmal verschiebt sie Dinge und Zeichen im Raum nur ganz wenig, um ihren Sinn kenntlich zu machen:
In einer zur Galerie umgedeuteten Wohnung hebt sie alle Türen aus den Angeln und stellt sie an die Wand...
“das macht man so”.
Albert Speers monströsen Plan für die Nord-Süd-Achse GERMANIAS kopiert sie transparent und rückt ihn an seinem ursprünglichen Präsentationsort, im großen Oberlichtraum der Akademie der Künste am Pariser Platz, in die Ecke über das Starkstromkabel im bröckelnden Putz. Gegenüber pinnt sie neue europäische Stadtpläne an die Wand... “Achsen der Begehrlichkeit“.
In den Räumen werden auch Dinge wieder begreiflich: Markierungsnadeln setzen Berührungspunkte für Gedanken und Gefühle.
Für den kurzen Zeitraum ihrer Exhibition sind diese Räume unerbittlich klar.

Karla Sachse, März 1996


In: Veröffentlichung zum Kunstpreis der Grundkredit­Bank Berlin 1996
und Katalogordner zur Ausstellung Quadratur,
Haus am Kleistpark, Berlin 1996

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