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Fotos der Aktion: Johanna Bartl |
In Dessau ist der Stadtumbau bzw. Rückbau 2003 noch nicht ganz so weit fortgeschritten wie in anderen Städten. Gleichwohl ist der Einwohnerschwund auch für die unbefangene Beobachterin deutlich sichtbar: Ganze Altbauviertel, auch nach der Wende sanierte Blöcke aus den 1920er, 1930er und 1950er Jahren, stehen sogar in bester Stadtlage leer. Viele Ladengeschäfte zeigen das gleiche Bild, alte Großindustriekomplexe werden in Teilen von Kleingewerbetreibenden genutzt. Dazwischen erstrecken sich (blühende) Brachflächen. So gesehen sind die versprochenen blühenden Landschaften Realität geworden.
Die Dessauer Bürger sind durch die Siedlungsbauten des Bauhauses und andere Bau-Experimente gewohnt, besichtigt zu werden. Ich beobachte einen gewissen Überdruß bezüglich der Planungen von Architkten und Stadtplanern sowie damit verbundener Besuche von Investoren in ihrem Umfeld. Auch ich werde beobachtet.
Die Situation erfordert ein sensibles Vorgehen. Ein "Outing" leerstehender Komplexe könnte negativ auf die Umgebung wirken. Eingriffe von Außen lähmen vielleicht eigene Initiativen. Stattdessen brauchen die Menschen einen Anlaß, ihre eigene Umgebung (wieder) wahrzunehmen, sie anzunehmen und selbst etwas in die Hand zu nehmen.
In der stillgelegten Dessauer Honigabfüllstation der Bienenwirtschaft Meißen finde ich palettenweise originalverpackt vergessene Gläser. Diese kleinen Gläser wurden hier bis 1990 mit dem hoch subventionierten Honig von privaten Imkern befüllt. Jetzt stehen sie ungenutzt in den verlassenen Räumen. Für mich verbinden sich die leerstehenden Häuser mit den leeren Honiggläsern.
In die leeren Honiggläser fülle ich Wiesenblumensamen, ausreichend für je einen Quadratmeter und verschließe sie mit einem Stadtplanausschnitt.
Innen sind auf einem kleinen "Beipackzettel" eine Pflanzenliste, eine Aussaatanleitung sowie der Titel des Projekts zu lesen.
Die so präparierten Gläser verschenke ich 2003 in der Vorweihnachtszeit in zwei großen Dessauer Supermärkten. Als "Gegenleistung" nennen mir die Menschen einen Ort, an dem sie die Samen aussäen möchten. Für jedes Glas wird im Dessauer Stadtplan ein Ort mit einer farbigen Nadel markiert. Am Schluß der Aktion stecken 526 Nadeln in meinem Plan. Damit ist zunächst eine positive Karte der "blühenden Landschaft" in Dessau entstanden ...
... Im Frühjahr 2004 wird eine Gratis-Postkarte mit der Karte der blühenden Landschaft in Dessau und Umgebung verteilt. So können die Bürger ihre Stadt mit anderen Augen sehen: Es haben sich viele Bereiche der Stadt verändert – Balkone und Hinterhöfe, Kleingartensparten und private Gärten und ganz sicher auch die Brachen …
Aktion mit Wiesenblumensamen für den öffentlichen und privaten Raum in Dessau.
Projekt des Büro Otto Koch im kiez e.V. Dessau-Roßlau 2003
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